Draußen wird es wieder früher dunkel, das Feuer im Kamin wärmt die Stube auf, die Familie sitzt am Abendbrottisch und bespricht beim Essen die Optionen des vor ihnen liegenden Wochenende. Alle freuen sich auf ein ruhiges Wochenende und sind froh die stressige Arbeitswoche hinter sich gelassen zu haben. Aus dem Nichts heraus schreit der Funkmeldeempfänger der Freiwilligen Feuerwehr seinen Hilferuf aus. Ein Bürger ist in einer für sich aussichtslosen Lage und benötigt dringend Hilfe. Das Signal unterbricht die Idylle der Familie. Die nun folgenden Handgriffe sitzen, Einsatzstichwort sichten, Autoschlüssel greifen, Schuhe anziehen, Jacke über und los. So oder so ähnlich werden die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Pinneberg jedes Jahr mehr als 400mal aus ihrer Alltagsroutine herausgerissen.

Der Adrenalinspiegel steigt, die Einsatzszenarien laufen als Kopfkino durch, die Anfahrt zur Feuerwache oder dem Gerätehaus läuft routiniert ab. In der Fahrzeughalle umziehen, schwere Schutzkleidung an, die Kameradinnen und Kameraden treffen in kurzer Folge ein. Es muss schnell gehen, schnell aber sicher- sonst ist am Ende keinem geholfen worden. Rauf in die Kabine des Feuerwehrauto, Motor starten und auf die Ampelfreigabe warten, die eine freie und gefahrlose Ausfahrt anzeigt. Bei schlechter Sicht, der Regen peitscht auf die Windschutzscheibe läuft der Scheibenwischer auf Hochtouren. Aus dem Funkgerät kommen Meldungen von der Zentrale und der Rettungsleitstelle. Der Gruppenführer plant die ersten Maßnahmen vor Ort. Befehle werden übermittelt und bestätigt. All dies muss vom Fahrer gefiltert werden und dabei die Konzentration auf die Straße bringen. Für den Fahrer der großen Lösch- und Sonderfahrzeuge eine sehr stressige Phase. Nicht nur das eigene Umfeld fordert. Die Verkehrsteilnehmer sind immer mehr überfordert wenn sich Fahrzeuge mit Sonderrechten nähern. Fußgänger reagieren zum Teil irrational und drehen auf halber Strecke wieder um. Fahrzeughalter bleiben mitten auf der Kreuzung stehen. Das Blaulicht zuckt durch die Dunkelheit, das Martinhorn versucht der Dringlichkeit Gehör zu verschaffen. Das gelernte Wissen aus der Fahrschule ist bei vielen Verkehrsteilnehmern entschwunden. Mobiltelefon und Radio lenken zusätzlich ab.

Die Maschinisten am Lenkrad der Großfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr sollen möglichst einen kühlen Kopf bewahren und das Fahrzeug mit Besatzung heile, sicher und zügig an den Einsatzort bringen. Um dies zu gewährleisten investieren die Maschinisten viele Stunden an Sonderdiensten auf den Sitzen in der hohen Fahrzeugkabine. Allerdings kann auf dem Dienstabend nur der Umgang und das Fahrgefühl im normalen Straßenverkehr trainiert werden. Die zum Teil schwer nachzuvollziehenden Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer erfährt man nur in der Ausnahmesituation auf einer Einsatzfahrt. Da wir diese nicht zum Spaß simulieren können haben die ehrenamtlichen Fahrerausbilder mit Erfolg nach Möglichkeiten gesucht diese Extremsituation zu trainieren. Nicht auf der Straße aber so realistisch wie eben möglich.

Am 05. und 06. November 2021 fand in der Hauptfeuerwache ein Blaulichttraining des ADAC Schleswig-Holstein statt. Hierfür wurde durch den ADAC für zwei Tage ein Fahrsimulator in unserer Fahrzeughalle aufgebaut und 24 Maschinisten hatten die Möglichkeit Einsatzfahrten im Simulator zu trainieren.

Los ging es für den ersten Maschinisten am Freitag um 12:00 Uhr. Nach einer kurzen Einweisung wurde mit einer Gewöhnungsfahrt begonnen um sich an das Fahren im Simulator zu gewöhnen. Anschließend wurden verschiedene Einsatzfahrten mit einem Löschfahrzeug durchgeführt und hierbei kam es immer wieder zu Szenarien, in denen die Fahrer besonders gefordert wurden. Diese Fahrten wurden aufgezeichnet, damit man brenzlige Situation im Anschluss nochmal anschauen und mit dem Trainer besprechen konnte.  Während der Einsatzfahrten konnte verschiedenste Stresssituation simuliert werden um auf diese bei wirklichen Einsätzen ggf. besser vorbereitet zu sein. Unter anderem ging es hierbei um das unvorhersehbare Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, Fahrten bei Nacht und im Regen, das Fahren in engen Straßen, schwer einsehbare Kreuzungen und die Kontrolle des Löschfahrzeuges bei hohen Geschwindigkeiten.

Da viele unserer Maschinisten nur bei der Feuerwehr LKW fahren und auch nicht jeden Tag Einsatzfahrten haben, war das Training im Simulator eine sehr gute Möglichkeit sich für den Einsatzfall vorzubereiten. Es konnte neues Wissen gewonnen oder vertieft werden, dass unseren Maschinisten zukünftig beim Fahren der Einsatzfahrzeuge helfen wird. Neben dem eigentlichen Fahren wurde Augenmerk auf die richtige Sitzposition und die zusätzlichen Gefahren durch Ablenkung oder das Tragen der Schutzkleidung beim Fahren hingewiesen. Anders als im eigenen PKW sitzt bei jeder Fahrt eine andere befähigte Einsatzkraft am Steuer und hat die verantwortungsvolle Aufgabe sicher am Einsatzort anzukommen. Durch den Trainer wurden nützliche Tipps gegeben und jeder Teilnehmer hatte die Möglichkeit seine Erfahrungen zu reflektieren und mit dem Trainer das Verhalten zu hinterfragen.

Die Erkenntnisse dieser beiden Tage werden in den nächsten Wochen ausgewertet und werden uns helfen die Fahrerausbildung in der Feuerwehr Pinneberg anzupassen. Die Maschinisten unserer Feuerwehr haben wieder einmal viel Freizeit in die Sicherheit der Bürger und Betriebe unserer Stadt sowie der eigenen Einsatzkräfte investiert.